Gedanken über den Arbeitsplatz einer Autorin
Als selbstständige Kopfarbeiterin trägt man sein Hauptwerkzeug immer mit sich herum: den Kopf. Man braucht nur noch ein Tablet, ein Notebook oder – ganz retro, dafür umso herzerfrischender und manchmal auch wirkungsvoller – Stift und Papier. Schon kann man loslegen, egal, wo man sich gerade aufhält. Was mich anlangt, ich habe nicht nur ein Notebook, sondern auch einen PC mit großem Bildschirm und ein Tablet, alle drei verbunden mit meiner omnipräsenten Cloud. Das ist ziemlich praktisch, weil überaus flexibel. So lange, bis ich feststelle, dass diese Theorie dem Praxistext nicht immer so einfach standhält.
Das Schreibtisch-Dilemma
Schreibtisch ist super. Alles ist übersichtlich (naja, nicht immer), der Bildschirm ist schön groß, der Sessel bequem und ergonomisch. Super für die Buchhaltung und fürs Arbeiten im WordPress, wenn ich Blogbeiträge veröffentliche. Beim Schreiben kreativer Texte verhungert aber regelmäßig meine Kreativin. Zu viel Struktur und Ordnung offenbar, zu viel Nähe zu Kreativitätskillern wie Excel oder den Rechtschreibduden. Und trotz Steh-Sitz-Tisch und zwei verschiedenen Sesseln schmerzt bei längeren Texten das Kreuz.
Das Couch-Dilemma
Also ab auf die Couch. Hier kann ich super entspannen, beim Fenster rausschauen, nachdenken, die Gedanken fließen ganz leicht durch die Finger. In weichen Polstern entstehen meine besten Texte. Außer, es sind Texte, für die ich viele Unterlagen brauche. Dann habe ich das Notebook auf den Knien, auf der Armlehne ein Transkript, auf dem Couchtisch drei Ordner und unter dem Notebook irgendwelche Mitschriften und ich bekomme einen Anfall und flüchte, bevor der Papierberg über mir zusammenwächst.
Das Kaffeehaus-Dilemma
Wiener Literaten haben ja offenbar ihr halbes Leben im Kaffeehaus verbracht, Wiener Kreative halten diese Tradition aufrecht. Ich natürlich auch. Während ich mich einfangen lasse vom Gemurmel der Gäste und dem leisen Klirren aus der Küche und der Mokka in meiner Schale langsam kalt wird, entstehen solche Texte wie dieser hier zum Beispiel. Andere Schreibaufträge haben hier aber schon oft ein jähes Ende erlitten. Dann nämlich, wenn die dringend benötigte Information daheim auf dem Schreibtisch geblieben ist.
Das Schreiben-am-Meer-Dilemma
Im Schaukelstuhl auf der Terrasse, das Notebook auf den Knien, den Blick gedankenversunken auf das weite, blaue Meer gerichtet – na? Das ist doch was! Das musste ich natürlich unbedingt ausprobieren. Also zog ich mich vor ein paar Jahren für eine Woche ans Meer zurück, um dort an einem Buch zu arbeiten. Am ersten Tag konnte ich nicht schreiben, denn da musste ich erstmal richtig ankommen. Am zweiten, weil ich die Gegend erkunden musste. Am dritten war es viel zu heiß, da musste ich an den Strand. Am vierten begann ich, mich einsam zu fühlen, und verbrachte Stunden auf Facebook und in meinen Mailordnern. Am fünften Tag war ich drauf und dran zu schreiben, ich schwöre, doch ich hatte am Vorabend endlich Anschluss gefunden und musste mit der Dame einen Ausflug machen. Und der sechste Tag war der vor dem Heimreisetag, da zahlte es sich nicht mehr aus.
Jedem Textchen sein Plätzchen
Wenn ich es ganz klug anstelle, also sehr vorausschauend und planend, dann ist diese Flexibilität ja wirklich perfekt. Denn ich habe herausgefunden, welche Texte wo am besten zu schreiben sind: Blogbeiträge im Café, kreative Bücher auf der Couch, komplizierte Sachbücher abwechselnd am Schreibtisch, Küchentisch, der Couch und dem Ohrensessel. Die Buchhaltung am liebsten gar nicht (naja, okay, auch am Schreibtisch). Und die Datenschutzerklärung im Fernsehsessel während einer Hubert-&-Staller-Serie, damit ich wenigstens ein bisschen was zu lachen habe dabei.
Für Experimente bin ich übrigens gerne zu haben: Ich habe es schon im Schwimmbad versucht, auf der Parkbank, auf dem Beifahrersitz im Auto, im Nomadenbüro (abwechselnd im Homeoffice bei Kolleginnen), in der Teeküche eines Fotoladens, in diversen Bibliotheken natürlich (aber noch nie in der Österreichischen Nationalbibliothek, fällt mir gerade ein, das muss ich nachholen). Auch das Wartezimmer meines Zahnarztes, das Wohnzimmer einer Freundin und den Besuchersessel im Büro einer Kollegin habe ich ausprobiert. Mein letztes Experiment: mitten in einer Baustelle. Hat sich als äußerst schwierig erwiesen. Dafür muss ich erst einen passenden Text suchen.
Und wo schreiben Sie?
Fotocredit: (c) Daniela Pucher
Wunderbar, Daniela, haargenau so geht es mir auch! Nur einen Ohrensessel bräuchte ich noch (dringend!). Und das Schreiben-am-Meer-Dilemma kann ich nicht unterschreiben. Hattest Du die Woche schreibtechnisch gut genug vorbereitet? Hätten Dich am Schreibtisch/auf der Couch/im Kaffeehaus vielleicht nicht auch viele andere Dinge von einer vielleicht unangenehmen Aufgabe abgehalten, wenn’s Badewetter wäre, z. B.? Oder hattest Du einfach nur mal Urlaub nötig?
Zugegeben, das Meer ist sehr verlockend, auch wenn man wie ich direkt am Meer lebt – die Verlockung lässt nie nach (zum Glück). Aber das Schreiben am komplett anderen Ort, ob am Meer, in den Bergen oder in einem Hotel in der eigenen Stadt, halte ich dennoch für eine der besten Methoden überhaupt, um konzentriert am Stück richtig was „wegzuschaffen“. Man muss dafür meiner Erfahrung nach allerdings ausgeruht und sehr gut vorbereitet sein, und natürlich auch wirklich dort schreiben wollen. Aber da wie auch im Leben am eigenen Schreibtisch wirkt eine Deadline echte Wunder … 😉
Was es genau war, liebe Birte, das mich am Meer vom Schreiben abgehalten hat, weiß ich gar nicht genau. Meine Vermutung: Ich brauchte Zeit, um mich in die neue Umgebung einzufügen, um mich vertraut und wohl zu fühlen. Um die nötige Sicherheit zu spüren, die man für Kreativität braucht. Ein bisschen kommt es mir vor wie bei einem Hund, der sich zwanzigmal um die eigene Achse drehen muss, bis er sich an seinem Platz endlich friedlich niederlassen kann. 😉
Cafés sind hingegen gar kein Problem für mich. Liegt wohl daran, dass mir die typischen Geräusche und Düfte schon in die Wiege gelegt wurden.
Vielleicht ist es ja – wie so vieles andere auch – Typsache, ob man für eine „Klausur“ geeignet ist oder nicht! Nur die Deadline, die dürfte für alle gleich gut wirken, da hast du wohl recht! 😀
Absolutely, liebe Daniela.
Ich ergänze noch:
– Schreiben im Coworking Space. Ist das Gegenteil vom heimatlichen Schreibtisch. Während mir da die Mensch fehlen, fehlt mir dort die Ruhe.
– Schreiben im Museum. Stille, ein inspirierendes Ambiente. Menschen, die das Bedürfnis des Kreativen verstehen. Aber: Unbequem auf die Dauer. Und irgendwann werden die Wärter nervös und beginnen dich anzustarren. Dann musst du ins Kaffeehaus.
– Schreiben im Park. Die Sommerversion bei stabiler Wetterlage. Ich empfehle Lainzer Tiergarten ab Nikolaitor, die große Runde (Hirschgstemm, Hubertuswarte, Rohrhaus, eventuell Kaffe und Kuchen in der Hermesvilla). Dort gibt es gelegntlich so Bank/Tisch-Kombis. Kann man ganz gut schreiben und den Wildsauen zuschauen. Wenn’s im Kreuz schmerzt wegen der harten Bank wieder ein Stück weitergehen. Am Abend ist man dann wieder zurück.
Die Hochsommer-Variante ist mit dem Rad die Donauinsel rauf und runter mit gelegentlichen Badestops.
Ad Kaffeehaus: Hast du Empfehlungen? (Weil die meisten guten Kaffeehäuser mit Touristen überflutet sind…)
Lieber Thomas, ach, ich bin da nicht so wählerisch, was Kaffeehausgäste anlangt. Ich bin gerne bereit, Teil der Wiener Sehenswürdigkeit zu sein 😀 Ich bin gern im Diglas am Fleischmarkt, im Prückel, im Schwarzenberg und wenn ich Lust auf eine Straßenbahnfahrt habe, fahre ich ins Jelinek auf ein Schnittlauchbrot 😉
Die Idee, Schreiben mit Rad- oder Wander-Zwischenstopps zu verbinden, ist aber sehr nett! Das probiere ich einmal aus.
Guten Morgen liebe Daniela,
mein Lieblingsplatz für kreative Schreibarbeiten für meinen Blog oder Newsletter ist der Küchentisch, und zwar direkt nach dem Frühstück ungeduscht im Schlafanzug.
Wenn ich meine Kunden im Schreibcoaching betreue, sitze ich am Schreibtisch bei mir oder gerne auch in einem Working-Space. Jetzt in casual (Business-)Kleidung. 😉
Kunden-Claims spinne ich gerne bei einem Expresso im Café.
Neue Ideen werden im Wald erschaffen und im Notizbuch notiert.
Vom Schreiben an der Nordsee träume ich schon sehr lange. Als ich allerdings vor zwei Jahren ehrenamtlich auf der Hallig Hooge am Schiffsanleger gearbeitet habe, war ich so entspannt, dass ich nur einen Blogartikel am letzten Urlaubstag geschrieben habe.
Hach, es gibt bestimmt noch viel mehr Lieblingsplätze zu entdecken …
Hihi, das kann ich mir sehr gut vorstellen, dass man an der Nordsee so sehr entspannt ist, dass nicht mal mehr schreiben geht 🙂 Und weil du deine Kleidung erwähnst: Das ist für mich auf jeden Fall auch wichtig, weil es mein Wohlgefühl bestimmt. Kein Wohlfühlen – kein guter Text!